Samstag, 26. Juli 2014

Das Tiergericht- nur eine einfache Skulptur?

Das Tiergericht im Zoo Osnabrück- Foto von L. Borm

Wenn sie auf die Skulptur „Das Tiergericht“ schauen, kommen viele darauf, dass sich dahinter eine Geschichte verbirgt, die Ruwe plastisch dargestellt hat. Einige wissen sogar, dass es sich dabei um eine Fabel handelt. Und beim Austausch über Fabelwesen sind wir mit den Studierenden des Seminars „Erinnern und Vergessen“ zu dem Ergebnis gekommen, dass fast alle ähnliche klischeeartige Eigenschaften mit den jeweiligen Tieren verbinden.
 
Ein schlauer Fuchs liefe neben der eigensinnigen Katze am vorsichtigen Meister Lampe vorbei, grüßt dabei den einfältigen Bären, der sich gutmütig zum mächtigen König der Tiere, dem Löwen, hinwendet. Es trifft der hochmütige Hahn und eitle Gockel auf den rücksichtslosen und verlogenen Wolf, derweil ein fauler Esel störrisch stehenbleibt, als ein Knecht versucht ihn zu ziehen. Und der schlaue Igel hat eine Auseinandersetzung mit der zickigen und unzufriedenen Ziege.

Diese besonderen Eigenschaften kommen auch in der nachfolgenden Geschichte vor, die Ruwe zur Inspiration des „Tiergerichts“ diente.

Das Tiergericht aus der Fabel Reineke Fuchs (Bilder von C. von Kamp)


Schlau oder einfach nur dreist? – Die Geschichte des Fuchs Reineke

Dem Rufe seiner Majestät, des Königs Nobel, sind alle Tiere gefolgt:
Toni und Esmeralda, das hochangesehene Elefantenpaar – Langohr, der Esel – die Bärenfamilie Braun – Bellin, der Schafbock – das Giraffenpaar Oculus und Ocula – die Stute Halla – Gutmut, das Rind – Quack, der Frosch sowie Schweine und Katzen und Gänse und Eulen und Affen usw.
Eigentlich sind sie alle gekommen, um mit dem Könige und seiner Gemahlin Pfingsten zu feiern – bevor jedoch der Reigen der festlichen Veranstaltungen eröffnet wird, haben sie noch ein ernsthaftes Geschäft zu erledigen: Vor ihnen allen sitzt Reineke, der Fuchs. Er ist hier der Angeklagte, dem alle Blicke zugewandt sind: die meisten vorwurfsvoll, viele anklagend, indem sie symbolisch Wasser speien, denn zu schändlich hat er’s oft getrieben. Kaum einer war vor ihm sicher. Mit List und Tücke hatte er viele übertölpelt, betrogen, mancherlei versprochen und nichts gehalten. Mit einem Worte: geschadet hatte er vielen der Anwesenden, am meisten den Gänsen, die hier als stattliche Trauerschar vor ihm stehen… ja selbst vor ihren Majestäten hatte er mit seinen Lügen nicht haltgemacht. Freunde hatte er nur wenige – sie setzen auf seine oft bewiesene Pfiffigkeit, dank derer er sich noch jedesmal aus der fast sicheren Schlinge ziehen konnte.
Ob ihm seine Künste auch diesmal helfen werden? Zuzutrauen ist es ihm ja wohl, wie er so demutsvoll-lauernd vor seinen Klägern auf einem Baumstamm sitzt – werden sie wirklich wieder allesamt auf seine Verschlagenheit hereinfallen?

Auf diese Frage findet eine andere Überlieferung der Fabel eine Antwort:
Die Anwesenden, groß und klein, allen voran Isegrim, der Wolf, beschweren sich über die Untaten des nicht anwesenden Fuchses Reineke und fordern seine Bestrafung. Braun, der Bär, und Hinz, der Kater, werden nacheinander losgeschickt, um Reineke aus seiner Burg Malepartus an den Hof zu holen. Beide scheitern, Reineke bringt sie gezielt in Lebensgefahr, und sie entrinnen, schwer malträtiert, knapp dem Tode.
Der König nimmt die Schmach persönlich und setzt Reinekes Erscheinen vor Gericht durch. Das Urteil lautet auf Tod. Unter dem Galgen, den Kopf bereits in der Schlinge, gelingt Reineke die Erfindung einer als Beichte getarnten Lügengeschichte von Verrat und Goldschatz, die den Bären Braun und den Wolf Isegrim zu Hochverrätern erklärt und den Löwen Nobel gierig macht. Reineke wird entlassen und macht sich unter dem Vorwand einer Pilgerreise nach Rom auf und davon. Reinekes Verrat wird offenbar, nachdem er den abgebissenen Kopf seines Pilgergefährten Lampe, des Hasen, an den König zurückgeschickt hat. Braun und Isegrim werden rehabilitiert von Nobels Gnaden.
Nachdem Grimbart, der Dachs, Reineke erneut zum Hof gebracht hat, entwickelt sich eine zweite Gerichtsverhandlung, in der weitere Schandtaten Reinekes ans Licht kommen und in Reden der Anklage und der Verteidigung verhandelt werden. Reineke verweist zwar auf allerlei Wohltaten seiner Familie am Hofe, insbesondere auch auf die Rettung von Nobels krankem Vater durch seinen eigenen. Der Vorwurf Isegrims jedoch, Reineke habe seine Gattin Gieremund geschändet, veranlasst Nobel zu der Entscheidung, Isegrim und Reineke in einem öffentlichen Zweikampf gegeneinander antreten zu lassen. Für den Fuchs bedeutet dies das zweite Todesurteil, denn er ist dem Wolf körperlich unterlegen. Reineke gewinnt, indem er den Wolf mit schmerzhaften Unsportlichkeiten außer Gefecht setzt. Das überzeugt das Publikum und veranlasst den König Nobel, Reineke zu seinem Rat und zum Kanzler des Reichs zu ernennen.

Exkurs für diejenigen, die an näheren Details zur Geschichte interessiert sind:
Alle anderen überspringen diesen Absatz einfach!!

Diese Szene ist ein etwas modernisierter Teil eines alten Tierepos aus dem 13. Jahrhundert. Zuletzt wurde er in Goethes Dichtung „Reineke Fuchs“ (1793) literarisch verarbeitet. Zuvor wurde diese Geschichte immer in ähnlicher Form ganz vielfach überliefert, sodass mit der Zeit viele Einzelgeschichten entstanden sind.
Flame Nivardus schuf als Erster (demnach was man heute noch nachverfolgen kann) 1150 als erster einen Zusammenhang der Hauptfiguren des leidenden Wolfes und des überlistenden Fuchses. Durch ihn bekamen die Tiere auch schon weitestgehend die heute noch gebräuchlichen Namen, mit denen menschliche Eigenschaften veranschaulicht werden sollen. So kommt beispielsweise Isegrim (=Wolf) vom  Mittelhochdeutschen grinen, dass knurren bedeutet.


Illustration, unser Waldzoo -das Tiergericht- Osnabrücker Zoo - Heft 24


Kurz und knapp: Fakten der Skulptur
Seit wann?                              1978
Woraus bestehend?                Bronze
 Wo befindet es sich?              vor dem Aquarium, Zoo Osnabrück
Warum gebaut?                       Widmung verstorbener Tiere im Onsabrücker Zoos
Was wird dargestellt?              Das Tiergericht

Was fällt auf?                          Brunnenfunktion
                                                der „Hahn“ (vereinfachte Umsetzung der Gestaltung)
                                                    1. Grund: Beweglich, dreht sich im Wind
                                                    2. Grund: Symbolik -> Ankündigung, Bote
Wer ist der Bildhauer?             Hans Gerd Ruwe

Kein offizielles Denkmal, da es sich bei der Skulptur um Privateigentum des Osnabrücker Zoos handelt.

DENK MAL!?
In Bezug auf die Skulptur bedeutet diese poetisch gelungene Darstellung der Fabel allerdings eine Problematik, wenn man die Tiere tatsächlich so charakteristisch sieht, da es nichts mit der Erinnerung an verbrannten Tiere zu tun hat (das war schließlich der Anlass der Statue!), sondern ganz im Gegenteil höchstens eher positive Kindheitserinnerungen an die Fabel erweckt. Diese Darstellungsart wurde vermutlich gewählt, da sie besser zum Konzept Zoo passt, das den Besuchern eine harmonische Atmosphäre gemeinsam mit den Tieren vermitteln will.
Die Tatsache, dass allen Tieren durch die Assoziation mit der Fabel eine gewisse Charakteristik von Eigenschaften zugeschrieben wird, könnte immerhin möglicherweise die Einzigartigkeit der Tiere unterstreichen, die verbrannt sind.


Brandkatastrophe - eigentlichen Sinn der Skulptur verhöhnt?
Zudem wenn man den eigentlichen Anlass betrachtet, dass Ruwe engagiert wurde, um verstorbenen Tieren des Mehrzweckhauses* zu gedenken wird deutlich, dass dies nicht nur am Thema vorbei geht, sondern die Brandkatastrophe von 1978 ganz und gar vergessen wird. Durch diese Skulptur greift Ruwe lediglich die Tierfabel des Reineke Fuchs auf.

Hiermit stellen wir uns natürlich die Frage wie DENKMALWÜRDIG Ruwes „Tiergericht“ ist und wie eigentlich ein Denkmal für den Brand 1978 im Osnabrücker Zoo aussehen müsste und wenn es ein Denkmal für die Fabel des Reineke Fuchs geben müsste, wie diese gestaltet werden müsste, sodass es auch in jeder Altersgruppe erkennbar ist und die Darstellung und der Sinn und Zweck deutlich zu interpretieren ist? 
Die Moral der Fabel wird allerdings nicht deutlich genug widerspiegelt. 
Um den Brunnen „das Tiergericht“ mit dem Brand von 1978 zu verbinden, hätte man schon wenigstens ein kleines Schild anbringen können, an wen diese Skulptur gewidmet ist oder zumindest wann und wieso sie erbaut wurde, denn komischer Art und Weise sind die anderen Ruwe-Skulpturen im Osnabrücker Zoo mit einer Widmung gekennzeichnet. Sie sind beispielsweise einem Tierpfleger gewidmet, beim „Tiergericht“ jedoch steht nur der Name der Skulptur und des Bildhauers. Somit handelt es sich bei der Skultur „Das Tiergericht“ NICHT um ein DENKMAL.
Brandkatastrophe - Mehrzweckhaus

*Das Mehrzweckwarmhaus ist eine Einrichtung für exotische Tiere, die 1960 eröffnet wurde
aber jedoch 1978 niedergebrannte. Grund dafür waren angeknabberte elektrische Leitungen (von vermutlich einem Nagetier), die in der Nacht zum 4. Januar 1978 das frisch eröffnete Mehrzweckwarmhaus, was zu diesem Zeitpunkt ein großer Besuchermagnet war, mit all den Tieren darin zerstörten. Durch zahlreiche Spenden konnte das Gebäude 1979 wiedereröffnet werden.
Die Friedrich-Lehman-Stiftung engagierte kurz nach dem Brandvorfall den Bilderhauer Hans Gerd Ruwe um eine Plastik zu entwerfen, die den verstorbenen Tieren gewidmet ist und zugleich den Zoo Unterstürzen sollte.

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Gleicher Eintrag auch unter: http://kunstkulturosna.blogspot.de oder andere spannende Einträge unter: http://www.erinnernundvergessen.blogspot.de
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